Publisher's Synopsis
In der Conceptual-Change-Forschung werden die Prozesse des Aufbaus und der Entwicklung von fachspezifischen Konzepten zwar haufig theoretisch modelliert, aber nur selten empirisch erfasst. In der Regel werden nur die Anfangs- und Endzustande der Konzeptentwicklung betrachtet, z.B. indem vor und nach Interventionen die Konzepte von Lernenden mithilfe von Interviews oder Tests ermittelt werden. Der Verlauf zwischen Anfangs- und Endzustand steht dagegen grosstenteils nicht im Fokus der Analysen, so dass auch nicht aufgeklart werden kann, welche Aspekte von Interventionen diesen Verlauf in intendierter Weise beeinflussen bzw. unwirksam oder gar kontraproduktiv sind. Die vorliegende Studie knupft an das Anliegen der Conceptual-Change-Forschung an, die Konzeptentwicklung von Lernenden zu beschreiben, verfolgt dabei aber einen dezidiert prozessorientierten Ansatz. Es wurden die Aktivitaten von Schulern der achten und elften Jahrgangsstufe bei der Bearbeitung von Experimenten und Aufgaben zum Themengebiet Warmeubertragung mit Video aufgezeichnet und die Verlaufe der Konzeptentwicklung sowie die situative Konzeptnutzung untersucht. Die Ziele der Studie bestehen u.a. in der Erkundung von methodischen Verfahren zur Erfassung der genauen zeitlichen Verlaufe von Konzeptentwicklungsprozessen sowie in der Generierung von Hypothesen uber typische Verlaufe und uber die Wechselwirkung der Verlaufe mit Lernangeboten. Die Analysen ergeben, dass die untersuchten Schuler wahrend der Auseinandersetzung mit Lernmaterial im Mittel nur sehr wenig explizite Konzeptualisierungen entwickeln, d.h. nur selten generalisierende und von konkreten Sachverhalten losgeloste Uberlegungen aussern. Ausserdem zeigt sich, dass der Aufbau konzeptuellen Wissens ein hoch dynamischer und iterativer Prozess ist, in dessen Rahmen nur eine sehr langsame Zunahme des Konzeptualisierungsniveaus zu beobachten ist. Auffallig ist, dass die Schuler explizite Konzeptualisierungen fast ausschliesslich im Nachgang zu konkreten Phanomenen und Problemen aussern, also nicht hypothesengestutzt vorgehen. Insgesamt deuten die Befunde dieser Studie darauf hin, dass das Entwickeln eines konzeptuellen Verstandnisses selbst als anspruchsvoll bezeichnet werden muss. Daraus folgt, dass der fur den Aufbau eines konzeptuellen Verstandnisses notwendige Umfang an Erfahrungen in der gegenwartigen Conceptual-Change-Forschung haufig noch deutlich unterschatzt zu werden scheint.