Publisher's Synopsis
Der arztliche Fallbericht vereint die Beitrage der interdisziplinaren Tagung an der Ruhr-Universitat Bochum zur arztlichen Fallgeschichte vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart aus der Perspektive von Literaturwissenschaft und Medizingeschichte. Im Vordergrund stehen dabei vor allem Fragen, die das wechselhafte Verhaltnis zwischen der Textform "Fallgeschichte", unterschiedlichen epistemischen Voraussetzungen fur die Gewinnung medizinischen und diagnostischen Wissens und divergierenden Praktiken der Wissensgewinnung betreffen: Wie verhalt sich die Relation zwischen konkreter arztlicher Beobachtung und Verschriftung? Welche Rolle spielen tradierte und innovative Darstellungsmodi? Wie wird Evidenz hergestellt? Wie integriert sich der Einzelfall in ein nosologisches Tableau? Welche Rolle spielen literarische und paraliterarische Verfahren des Erzahlens sowie bildliche Artikulationsmuster? In welchem Masse produziert die Darstellung selbst das Wissen, das sich aus der reinen Beobachtung abzuleiten scheint? Diese und andere Fragen werden in der historischen Perspektive des Wandels medizinischen Wissens und sprachlicher Artikulationsformen im europaischen Raum erortert. Die Paradigmen werden dabei durch sehr unterschiedliche Krankheitsfalle gebildet (u.a. Schwindsucht, Onanismus, Hysterie, rechtsmedizinische und psychiatrische Falle sowie psychoanalytische und psychologische Traumanalysen). Die in der Forschung ubliche mitteleuropaische Fixierung (vor allem auf Frankreich und Deutschland) wird aufgebrochen durch Beitrage, die vergleichbare Problemlagen im aussereuropaischen Raum (vor allem im indischen Subkontinent) erortern.